Mal wieder: Wikipedia gesperrt

Dies Wochenende war es mal wieder soweit: wikipedia.de durfte nicht auf die deutschsprachige Wikipedia unter de.wikipedia.org weiter leiten und jeder, der nicht wusste, dass Wikipedia unter zweit genannter Domain auch direkt erreichbar ist, “durfte” komplett auf Wikipedia verzichten. Das dürften wohl so einige gewesen sein.

Warum? Weil ein Mann, dem einige Zeilen in einem Artikel über sich nicht passten, eine einstweilige Verfügung erwirkte. Und weil diesbezüglich die Rechtsauffassung in diesem Lande wie so ziemlich immer, wenn es ums Thema Internet geht (nur da?), mal wohlwollend gesagt völlig unbedarft bis restlos grober Unfug ist.

Wer wegen einem von rund 830.000 Wikipedia-Artikeln eine komplette Domain sperrt, kann eigentlich gleich das ganze Internet sperren lassen. Schließlich wird über Herrn Heilmanns Vergangenheit dort an vielen Stellen diskutiert.

Ob die Äußerungen über Heilmann falsch oder richtig sind, der Artikel den Anforderungen bezüglich Neutralität, Belegen etc. den Wikipedia-Richtlinien genügte usw., darum gehts mir hier an dieser Stelle gar nicht. Das steht auf einem anderen Blatt.

Mir geht es um das Muster dahinter. Dass einige Leute auf die Idee kommen, sie könnten wegen allem, das ihnen nicht passt, vor Gericht ziehen, damit wird man wohl leben müssen. Spinner wirds immer geben. Aber dass sie dann noch Gerichte finden, die so einen Blödsinn auch noch mitspielen, sprich: keine Ahnung von Tuten und Blasen haben, damit möchte ich nicht leben müssen.

Das Geschehene (und ja nicht zum ersten Mal Geschehene) ist gleichermaßen völlig unverhältnismäßig und völlig sinnlos. Und das fällt Leuten, die über uns Recht sprechen sollen und vor allem auch dürfen, nicht auf. Das lässt bei mir Fragen aufkommen, wie: Wie ist das erst bei anderen “Rechtsprechungen” und inwieweit darf man von einem Rechtsstaat sprechen? Reicht es, wenn der nur auf dem Papier in Paragraphen existiert oder muss dafür nicht auch ein Mindestmaß an Kompetenz bei den Rechtsprechenden vorhanden sein?

Dass nicht jeder Wikipedia-Artikel perfekt ist, ist klar. Ist auch nicht jeder andere Lexika-Artikel. Doch in der Wikipedia kann ich selbst an der Diskussion teilnehmen, ich kann auch (meistens) selbst Artikel ändern und normalerweise sollte ich da – ohne Gerichte – in der Lage sein, einen Konsens zu finden, wenn sich alle an die Spielregeln dort halten, NPOV, Belege usw.

Zur Zeit scheint es jedoch immer beliebter zu werden, alles, was einem nicht in den Kram passt, einfach weg zu klagen. Und leider spielen da Gerichte mit. Das führt schlussendlich dazu, dass freie Meinungsäußerung ohne entsprechende Rechtsabteilung und entsprechendes Budget hinter sich zu einer riskanten Angelegenheit wird. Und auch heute schon überlege ich mir 3 mal ob und wie ich etwas schreibe. Wer ein Blog, ein Forum oder ein Wiki betreibt, steht praktisch immer mit einem Fuß vor Gericht. Und das ist keine gute Entwicklung.

Damit wir uns nicht missverstehen, Verleumdungen, falsche Behauptungen etc. gehören, wenn derjenige keine Einsicht zeigt, natürlich verfolgt. Keine Frage. Jeder hat zudem natürlich die Pflicht, seine Behauptungen ordentlich zu belegen.

Aber wenn z.B. belegte Tatsachen weg geklagt werden, nur weil sie jemand nicht passen und er entsprechende Mittel dafür hat, wenn Meinungsäußerung ein Jurastudium voraussetzt, damit ich weiß, wie ich etwas “rechtlich sicher” formuliere, wenn ich wegen einigen Sätzen in einem Artikel gleich eine ganze Domain und rund 830.000 weitere Artikel sperre, ist das Missbrauch eines Rechtssystems und Zensur. Und wenn ein Richter nicht den groben Unfug, den eine Sperrung von wikipedia.de bedeutet, erkennt, mangelts ihm imho so sehr an Kompetenz, dass er nicht in der Lage ist, seinen Job ordnungsgemäß auszuführen und dann sollte man ihn konsequenterweise auch seines Amtes entheben.

Ein Gutes hat das Ganze allerdings, es förderte die Spendenfreudigkeit für Wikipedia. Das gibt etwas Hoffnung.