Himmel und Hölle

Ein frommer Mensch bat Gott einmal einen Blick in den Himmel und einen Blick in die Hölle tun zu dürfen, denn er wollte den Unterschied verstehen. Gott gewährte ihm die Bitte.

Er führte ihn eines Nachts in einen großen Raum. Darin stand in der Mitte ein großer Tisch gedeckt mit den herrlichsten Speisen. Rundum in einigem Abstand saßen Menschen, die lange Löffel hatten. Verzweifelt versuchten sie etwas von dem Essen für sich zu ergattern, doch es konnte ihnen nicht gelingen. Denn die Löffel waren so lang, dass Sie zwar die Speisen auf dem Tisch errreichen, sie dann aber nicht in ihren Mund führen konnten. „Himmel und Hölle“ weiterlesen

Hermann Hesse

Eine kleine Auswahl von Hermann Hesse, bei dem ich mich immer noch frage, wie er meine geheimsten Ecken so gut kennen konnte ;-))

 “Wahrlich, keiner ist weise, der nicht das Dunkle kennt, das unentrinnbar und leise von allen ihn trennt. – Wohlan denn Herz, nimm Abschied und gesunde! – Denn das Licht, danach du frugst, in dir selber wohnt. – Da wir doch Götter sind und teil am Urbeginn der Schöpfung haben.”

Dunkelste Stunden

Das sind die Stunden, die wir nicht begreifen!
Sie beugen uns in Todestiefen nieder
Und löschen aus, was wir von Trost gewusst,
Sie reißen uns geheim gehaltene Lieder
Mit blutend wunden Wurzeln aus der Brust.
Und doch sind das die Stunden, deren Last
Uns Stille lehrt und innerlichste Rast
Und die zu Weisen uns und Dichtern reifen.

 

Im Nebel

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den anderen,
Jeder ist allein.

Voll von Freuden war mir die Welt,
Als noch mein Leben Licht war,
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.

Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkle kennt,
Das unentrinnbar und leise.
Von allen ihn trennt.

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsam sein.
Kein Mensch kennt den anderen,
Jeder ist allein

 

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf´ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen;
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden,
Wohlan denn Herz, nimm Abschied und gesunde!

 

Wir leben hin in Form und Schein
Und ahnen nur in Leidenstagen
Das ewig wandellose Sein,
Von dem uns dunkle Träume sagen.

Wir freuen uns an Trug und Schein
Wir gleichen führerlosen Blinden
Wir suchen bang in Zeit und Raum
Was nur im Ewigen zu finden

Erlösung hoffen wir und Heil
In wesenlosen Traumesgaben
Da wir doch Götter sind und teil
Am Urbeginn der Schöpfung haben.

 

Kennst du das auch, dass manches mal
Inmitten einer lauten Lust,
Bei einem Fest, in einem frohen Saal,
Du plötzlich schweigen und hinweggehen musst?

Dann legst du dich aufs Lager ohne Schlaf
Wie Einer, den plötzlich Heimweh traf;
Lust und Gelächter ist verstiebt wie Rauch,
Du weinst, ohne Halt – Kennst du das auch?

 

Es führen über die Erde Strassen und Wege viel,
Aber alle haben dasselbe Ziel,

Du kannst reiten und fahren, zu zweien und zu dreien…
Den letzten Schritt musst du gehen allein.

Drum ist kein Wissen, noch Können so gut,
Als dass man alles Schwere nicht alleine tut.

 

Alle Bücher dieser Welt
Bringen dir kein Glück,
Doch sie weisen dich geheim
In dich selbst zurück

Dort ist alles, was du brauchst,
Sonne, Stern und Mond
Denn das Licht, danach du frugst,
In dir selber wohnt

Weisheit, die du lang gesucht
In den Büchereien,
Leuchtet jetzt aus jedem Blatt –
Denn nun sind sie dein.

 

Traurigkeit

Die mir noch gestern glühten,
Sind heut dem Tod geweiht,
Blüten fallen um Blüten
Vom Baum der Traurigkeit.

Ich seh sie fallen, fallen
Wie Schnee auf meinen Pfad,
Die Schritte nicht mehr hallen,
Das lange Schweigen naht.

Der Himmel hat nicht Sterne,
Das Herz nicht Liebe mehr,
Es schweigt die graue Ferne,
Die Welt ward alt und leer.

Wer kann sein Herz behüten
In dieser bösen Zeit?
Es fallen Blüten um Blüten
Vom Baum der Traurigkeit.

 

Doch heimlich dürsten wir

Anmutig, geistig, arabeskenzart
Scheint unser Leben sich wie das von Feen
In sanften Tänzen um das Nichts zu drehen,
Dem wir geopfert Sein und Gegenwart.
Schönheit der Träume, holde Spielerei,
So hingehaucht, so reinlich abgestimmt,
Tief unter deiner heiteren Fläche glimmt
Sehnsucht nach Nacht, nach Blut, nach Barbarei.

Im Leeren dreht sich, ohne Zwang und Not,
Frei unser Leben, stets zum Spiel bereit,
Doch heimlich dürsten wir nach Wirklichkeit,
Nach Zeugung und Geburt, nach Leid und Tod.

 

 

Glaube & Wahrheit

Vor nunmehr über einem Vierteljahrhundert (hach wie das klingt! 😉 ) entdeckte ich diesen Text, der seit dem zu so etwas wie meinem Lebensmotto oder auch meiner “Gebrauchsanweisung” für den Umgang mit dieser Welt wurde:

Der Sohn des Kesa aus Kalamo kam einmal zum Buddha und klagte: “Meister, jeder Priester und Mönch erhebt mir gegenüber seinen Glauben zum einzig wahren und verurteilt den Glauben der anderen als falsch. Zweifel quälen mich, weil ich nicht weiß, welchen Worten ich folgen soll.”

Der Buddha erwiderte: “Deine Zweifel sind gerechtfertigt, Sohn des Kesa. Höre meinen Rat: Glaube nichts auf bloßes Hörensagen hin; glaube nicht an Überlieferungen, bloß, weil sie alt und durch viele Generationen gegangen sind; glaube nichts aufgrund von Gerüchten oder weil viel darüber geredet wird; glaube nichts, bloß, weil es ein alter Weiser bezeugt; glaube nie etwas, weil Vermutungen oder langjährige Gewohnheit dich verleiten es für wahr zu halten; glaube nichts auf die bloße Autorität deiner Lehrer und Geistlichen hin.

Was jedoch nach eigener Erfahrung und Untersuchung mit deiner Vernunft übereinstimmt und zu deinem eigenen Wohle und Heile wie zu dem aller anderen Wesen dient, das nimm als Wahrheit und lebe danach!”

(Anguttara Nikayo)

Dazu passt schön ein Zitat von Max Kruse aus seinem Buch “Die behütete Zeit“:

Ist der Glaube, die von Beweisen unabhängige Gewissheit, nicht vielleicht die gefährlichste aller menschlichen Fähigkeiten …? Denn der Glaube mordet nicht nur, er liefert auch noch die Rechtfertigungen für das Morden und verleiht ihm eine höhere Weihe. Und wenn der Glaube die gefährlichste Eigenschaft ist, so ist der Zweifel die segensreichste, denn der Zweifel tötet nie, er unterdrückt nie, er zündet keine Scheiterhaufen an, er lässt leben, lässt gewähren und duldet.

Der Zweifel ist mein treuester Freund 😉

Ich werde öfter mal gefragt, ob ich Atheistin sei.

Ich nenne mich immer mal wieder vereinfachend selbst so, aber ganz so einfach ist das, je nach Definition von “Atheist”, nicht. Mein Weltbild ist ein naturalistisches, ich glaube nicht an Übernatürliches und damit auch nicht an einen Gott oder viele Götter. Bisher gibt es keinen (intersubjektiv nachvollziehbaren) Beleg für die Existenz eines Gottes, wobei es ja noch nicht mal eine eindeutige Definition von Gott gibt. Es ist daher extrem unwahrscheinlich, dass es Gott gibt. Unmöglich ist es natürlich auch nicht, auf die gleiche Art, wie es nicht unmöglich ist, dass es unsichtbare rosarote Einhörner gibt 😉

Da ich “nur” sagen kann, die Existenz eines Gottes ist extrem unwahrscheinlich und nicht, dass es keinen Gott gibt, muss ich mich streng genommen als Agnostikerin bezeichnen. Agnostiker hat jedoch einen weich gespülten, lauen, “nicht Fisch, nicht Fleisch”-Beigeschmack, der mir missfällt und der nicht zu meiner Weltanschauung passt.

Schlussendlich ist nicht entscheidbar, ob es Gott wirklich gibt oder nicht. Da es das nicht ist, denke ich, sollten wir auf die Rede von Gott, auf das Berufen auf Gott usw. verzichten, ganz einfach auch, weil dies mehr Unheil als Heil über die Menschen gebracht hat und ja immer noch bringt.

Denn wer sich auf Gott beruft, macht sich unangreifbar, benutzt, im Gegensatz zum nicht religiösen Menschen, nicht nur Argumente, die in der menschlichen Welt beheimatet sind und daher diskutierbar, abwägbar, kritisierbar etc. sind, sondern nimmt zusätzlich noch Argumente, die ihrem Anspruch nach einer höheren, eben göttlichen Ebene angehören und durch menschliche nicht aufgehoben werden können.

Das ist eine – wohlwollend gesagt 😉 – erschummelte, pseudo-transzendentale Verstärkung dieser religiösen Argumente, die dazu führt, dass der religiöse bzw. religiös argumentierende Mensch (wie auch viele Esos) vorgibt, über den Dingen zu stehen, über höhere Einsichten zu verfügen, und sich damit selbst überhöht und nicht religiöse Menschen übervorteilt und erniedrigt. Das ist wie Poker mit gezinkten Karten… Und genau das verhindert auch IMHO einen fruchtbaren Dialog zwischen religiösen und nicht religiösen Menschen. Dies und die Argumentation mit dem Jenseits setzt jede rationale, menschliche Argumentation außer Kraft, ist schlussendlich eine nicht hinterfragbare und damit beliebige Argumentation.

Ich bin also genau genommen Agnostikerin, die im täglichen Leben atheistische Standpunkte vertritt und aus o.g. Gründen für ein Leben ohne Gott plädiert. Humanistische, hedonistische, atheistische Agnostikerin, die auch öfter mal von einer tiefen Mystik heimgesucht wird… 😉

Mystik?! Nun hör ich sie schon wieder rufen: Aaaber!?!?

Mit Mystik meine ich keineswegs diesen verworrenen Geisteszustand, dies schwarmgeistig sinnlose Walten, das leider nicht Wenige darunter verstehen. Mystik nenne ich diese spezielle Ergriffenheit beim Anblick eines Sonnenuntergangs oder eines Gewitters, beim Lauschen schöner Musik, dies ergriffene Staunen (das mir auch meinen Platz in dieser Welt, in der unsere Galaxie weniger als ein Staubkorn unter unzähligen ist, klar macht), wenn ich nachts in den Himmel schau, wenn ich Dinge wie die Evolution betrachte, mir ansehe, was wir schon über diese Welt herausgefunden haben und wie fantastisch und unvorstellbar dies oft anmutet.

Die Natur, der Kosmos und – last but not least – der Mensch sind viel faszinierender für mich, bieten mir viel mehr Tiefe, als es eine Religion je könnte.

Ich glaube an die Menschen und wer meint, an einen Gott glauben sei schwer, der soll mal versuchen, an die Menschen zu glauben … 😉

Die Geschichte von der Sandwüste

Ein Strom floss von seinem Ursprung in fernen Gebirgen durch sehr verschiedene Landschaften und erreichte schließlich die Sandwüste. Genauso wie er alle anderen Hindernisse überwunden hatte, versuchte der Strom nun auch, die Wüste zu durchqueren. Aber er merkte, dass – so schnell er auch in den Sand fließen mochte – seine Wasser verschwanden.

Er war jedoch überzeugt davon, dass es seine Bestimmung sei, die Wüste zu durchqueren, auch wenn es keinen Weg gab. Da hörte er, wie eine verborgene Stimme, die aus der Wüste kam, ihm zuflüsterte: “Der Wind durchquert die Wüste und der Strom kann es auch.” „Die Geschichte von der Sandwüste“ weiterlesen