Morgen …

… darf ich eeendlich das erste Türchen aufmachen!

Ja, ich bin gottbefreit, aber noch nicht schokoladenadventskalenderbefreit – Asche auf mein Haupt! Ihr habt mich ertappt! Ich verspreche, ich arbeite weiter dran, aber macht euch mal nicht zu große Hoffnungen…

… ist nicht mehr Montag!

Ein Montag pro Woche ist echt schon mehr als genug!

… ist alles anders.

Weil, wenn ihr hier etwas nach rechts auf die “Weisheit des Tages” schaut, lest ihr da heute: “Wahrlich beständig ist allein der Wandel”.

… ist alles wie heute.

Weil, wenn ihr hier etwas nach rechts auf die “Weisheit des Tages” schaut, lest ihr da heute: “Wahrlich beständig ist allein der Wandel”.

Hach ja.

Was soll ich sagen?

Ein Familienmitglied ist gestorben, plötzlich und unerwartet, wie man so sagt, und viel zu jung. Ich weiß, jung ist relativ. Aber ich erkläre jetzt mal alles für jung, das keine 10 Jahre älter als ich ist. Vielleicht erweitere ich diese Definition später …

Morgen hätte dieser Mensch Geburtstag gehabt.

Und schon stürmen sie wieder alle auf mich ein. Siehste! Wenn du nur dran glaubst, dass zwei Kilo Rindfleisch eine gute Suppe geben, dann hat doch alles keinen Sinn! Was nun? Er ist tot! Und, und, und …

Kinder! Nun landet mal wieder. Ich glaube nicht an das mit dem Rindfleisch und der Suppe. Ich weiß es. Aber ein paar Gewürze und etwas Gemüse gehören auch dazu. Last but not least Wasser.

Dann ergibts auch  Sinn.

Sinn, das sind die Spuren, die wir an und in den anderen hinterlassen. Insbesondere in ihren Herzen.

Sinn ergibt sich allein schon aus der Einzigartigkeit eines jeden von uns, eines jeden Augenblicks.

Wenn ich mich recht erinnere, war es Sokrates, der einmal sagte, dass wir wie Frösche seien, Frösche am Boden eines Sees, die hinauf blicken und denken, sie sähen den Himmel. Doch im besten Falle gerade einmal bis zur Wasseroberfläche blicken können. Ich denke, Sokrates hatte Recht. Hat er immer noch, auch wenn wir sicher weiter sehen können als er.

Wenn unserer Welt in dieser Zeit etwas fehlt, dann ist es Bescheidenheit. Zum Beispiel die Bescheidenheit zu erkennen, dass wir auch heute nur – im besten Falle – bis zur Wasseroberfläche sehen können. Wenn überhaupt. Und dass es daher unredlich ist, Aussagen über das Jenseits (dieser Wasseroberfläche) zu machen. Jeder, der eine Aussage über Gott macht, ihm damit ein Attribut zuweist, tut dies aber. Er ist verdammt unbescheiden. Vermessen. Um nicht zu sagen größenwahnsinnig.

Bis zur Wasseroberfläche ist kein Gott in Sicht, jenseits ist er unvorstellbar. Das, was wir diesseits, bis zur Wasseroberfläche, als Gott ansehen, ist unsere Vorstellung von einem solchen. Leute, guckt einmal heute Nacht in den Sternenhimmel. Und dann tut das von einem hohen Berg aus. Und dann nehmt ein Teleskop. Und dann das beste, was wir zur Zeit haben… Und dann versucht noch mal, mir zu erzählen, ihr könntet euch einen Gott vorstellen – ohne nicht verdammt unbescheiden zu werden, ohne euch nicht maßlos zu überschätzen, ohne euch nichts weiter als einen Übermenschen vorzustellen.

Niklas Luhmann nannte es mal Kontingenzformel Gott …

Ein unvorstellbarer Gott ist von noch niemand kritisiert worden, auch nicht vom heftigsten Atheisten. Wie auch? Das einzige, was kritisierbar ist und je kritisiert wurde, ist eure Vorstellung von Gott. Jede Vorstellung von Gott. Die Eigenschaften, die wir – und da mag ich jetzt selbst mich als Gottlose gar nicht mal ausschließen – ihm andichten.

Letzteres ist unbescheiden, einfach Maßlosigkeit. Maßlosigkeit ist die Geißel unserer Zeit, wenn sie es nicht schon immer war. Zumindest erkannte sie Platon schon als Problem, war doch Maß eines seiner vier Grundwerte, neben Gerechtigkeit, Tapferkeit, Klugheit.

Und entgegen der Annahme eines Freundes, der mich gerade wieder darauf hinwies, dass die Zunahme der Depression in unserer Zeit eine Folge des mangelnden Glaubens an Gott sei, denke ich, ist auch sie ein Symptom unserer zunehmenden Maßlosigkeit. Ich weiß nicht mehr, wer es sagte, aber ich meine, es sind sogar die Worte des gläubigen Anselm Grün, die mich da bestätigen: Depression sei ein Hilfeschrei der Seele gegen unsere maßlosen Ansprüche – insbesondere auch an uns selbst. Wir müssen immer flexibel, immer klug, immer angemessen, kurz: immer perfekt sein. Immer erfolgreich. Immer ehrgeizig. Immer mutig. Immer angstfrei. Nie traurig. Nie schwach. Nie dumm. Nie lustlos. Auf alles eine Antwort haben. Und sei es die namens Gott.

Unerfüllbare Normen aufstellen, dient nicht nur den Religionen dazu, den Menschen besser steuerbar, manipulierbar zu machen. Das ist tagtägliche Praxis, in unseren Firmen, unseren Beziehungen …

Gerade gestern warf man mir wieder an den Kopf, auch alles Wissen mache noch lange nicht weise. Ja, was macht denn weise? Mir einen Gott vorzustellen?

Was bedeutet für mich Weisheit?

Nicht an einer ungerechten Welt zu verzweifeln? Nicht an den menschlichen Mankos zu verzweifeln? Nicht an meinen Mankos zu verzweifeln?

Weisheit ist für mich zum einen der Mut, die Tapferkeit, das zu ertragen, was ich nicht ändern kann. Zum anderen, das zu verändern, was ich nicht ertragen muss, weil ich es eben ändern kann, zumindest zu einer Änderung beitragen kann. Weisheit ist auch Maß halten. Insbesondere auch sich selbst gegenüber.

Glück resultiert aus glücklich machen. Glücklich machen ist auch weise.

Weise ist es, zum Aufbau einer Ordnung beizutragen, deren Säulen es sind, dass die Würde des Menschen unantastbar und jedem in Not Hilfe anzubieten ist. Allein davon sind wir noch Äonen entfernt.

Weisheit ist das Warum, das uns – frei nach Nietzsche – fast jedes Wie ertragen lässt.

Weise ist es, so etwas hier in die fast unendlichen Weiten des Net abzulassen, weil es mir danach irgendwie besser geht ;-P Warum? Geteiltes Leid ist halbes Leid? 😉

Morgen?

… bin ich vielleicht schon außer Sicht, jenseits der Wasseroberfläche. Oder du.

Oder um es mit der Weisheit eines Forrest Gump zu sagen: Das Leben ist wie eine Pralinenschachtel. Man weiß nie, was man bekommt ….