In der taz findet sich ein Interview mit unserem Bundesinnenminister. Beim ersten Lesen hegte ich noch die stille Hoffnung, es möge Satire sein… Leider ist dem nicht so. Wir lesen darin z.B.:
taz: Haben Sie Angst vor den sogenannten Trojanern, also vor Spionagesoftware?
Wolfgang Schäuble: Nein, ich öffne grundsätzlich keine Anhänge von E-Mails, die ich nicht genau einschätzen kann. Außerdem bin ich anständig, mir muss das BKA keine Trojaner schicken.
Hm. Ich muss Herrn Schäuble unbedingt fragen, wie er Anstand definiert. Weil, da war doch mal was… genau! CDU Parteispendenaffäre hieß das. Erinnert ihr euch?
Anfang September 2000 entschuldigte sich Schäuble vor dem Bundestag gegenüber der deutschen Öffentlichkeit dafür, „dass unter der Verantwortung der CDU Gesetze gebrochen wurden“. Weiterhin entschuldigte er sich auch „beim“ Bundestag dafür, dass er – Schäuble – im Dezember 1999 einen Teil der Wahrheit über seinen Kontakt zum Waffenhändler Karlheinz Schreiber verschwiegen hatte.
Ok. Ja, ihr habt ja Recht. Er hat sich entschuldigt. Das ist anständig. Ich sollte nicht so nachtragend sein. Ja, schon gut.
Lesen wir mal weiter im Interview.
taz: Auf der Computerfestplatte findet man auch sehr persönliche Details zu Liebe, Gesundheit und Steuererklärung. Wie wollen Sie den “Kernbereich privater Lebensführung”, dessen Schutz das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe besonders angemahnt hat, beachten?
Wolfgang Schäuble: Ich kenne und respektiere die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der Privatsphäre. Aber wir müssen auch sehen, dass dieser Schutz in der Alltagswirklichkeit praktikabel bleibt. Verbrecher und Terroristen sind klug genug, so etwas auszunutzen. Die tarnen ihre Informationen dann zum Beispiel als Tagebucheintrag. So leicht dürfen wir es denen nicht machen.
Ja! Deibel, die sind heimtückisch, diese Verbrecher! (Ich werde den Verdacht nicht los, hier weiß er echt mal, wovon er spricht: Täuschen & tarnen …) Klug sind diese Verbrecher, hmm, aber nicht klug genug, um sich keinen Trojaner unterjubeln zu lassen… Ach quatsch unterjubeln, der wird einfach Pflicht… beim nächsten Betriebssystem-Update ist der dabei.
taz: Gegen die ebenfalls geplante Vorratsspeicherung aller Telefon-, E-Mail- und Internetverbindungsdaten wollen 10.000 Menschen Verfassungsbeschwerde einlegen. Stimmt Sie das nicht nachdenklich?
Wolfgang Schäuble: So etwas regt mich nicht mehr auf.
Übersetze: Volkes Stimme geht mir am Ar… vorbei. Jungs, was wollt ihr?? Meine Pension ist mir sicher, ‘n paar saftige Beraterverträge, Vorstandspöstchen & Co sowieso. So what?!
taz: Und was sagen Sie zum Vorwurf, dass der Staat bei der Vorratsspeicherung ins Blaue hinein gewaltige Datenmengen über das Kommunikationsverhalten der ganzen Bevölkerung sammelt?
Wolfgang Schäuble: Letztlich geht es immer um die Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit. Die Datenschützer sind ja nicht moralisch höherwertig, weil sie mehr Gewicht auf die Freiheit legen. Und ich bin kein schlechterer Mensch, weil ich mehr Gewicht auf den Schutz vor Verbrechern lege.
No comment… Ja nee, da bleibt mir jetzt echt die Luft weg…
taz: Derzeit werden biometrische Pässe eingeführt, und biometrische Personalausweise sollen ab 2008 folgen. Dann sind Passbilder und Fingerabdrücke der ganzen Bevölkerung digital erfasst – ein wunderbares Fahndungsinstrument.
Wolfgang Schäuble: Das ist nicht geplant. Die biometrischen Merkmale sollen die Ausweispapiere fälschungssicher machen und sicherstellen, dass Passinhaber und vorlegende Person identisch sind. Mit Fahndung hat das nichts zu tun. Die biometrischen Daten sind ja auch ausschließlich auf dem Chip des Ausweispapiers gespeichert.
taz: Und sie sind bei keiner staatlichen Behörde gespeichert? Weder zentral noch dezentral?
Wolfgang Schäuble: So ist das vorgesehen.
taz: Und wie lange gilt dieses Versprechen?
Wolfgang Schäuble: Der Gesetzgeber behält immer die Möglichkeit, einmal getroffene Entscheidungen später zu revidieren. Da lege ich mich jetzt nicht fest.
Richtig. “Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?”, sagte ja schon Adenauer. Wir kennen das ja auch schon von der Maut. Und… und… und…
Es würde mich ja nicht sonderlich kratzen, wenn obiger Bullshit (frei nach Harry G. Frankfurt) der eines Einzelnen einer Partei wäre. Dann brauchte ich ja nur jemand anders wählen. Dem ist aber katastrophaler weise nicht so. Derartiges ist die Regel – zumindest in allen großen, etablierten Parteien. Und die anderen scheitern ja schon an den 5% …
Es wird noch schlimmer, wenn ich mal weiter denke. Diese grandiose Demonstration von Inkompetenz, was das Thema Internet/Daten/Sicherheit angeht, fällt mir auf, weil ich zufällig davon ein klein bisschen Ahnung habe. Ich kann nicht wirklich beurteilen, wie es da im Bereich z.b. der wirtschaftlichen Entscheidungen aussieht. Aber wenn ich mir die Auswirkungen tagtäglich ansehe, dann scheint es da mit der Kompetenz unserer “Entscheidungsträger” auch nicht besser auszusehen. Vielleicht eher noch schlimmer. Gut, wofür brauchen wir Kompetenz? Wir haben Lobbys, Schmiergelder und schwarze Kassen.
Synonym für unsere real existierende Politik? Körperverletzung. Nicht nur. Seelische Grausamkeit. Von der intellektuellen rede ich lieber gar nicht erst…
Und das alles ist ja nur ein winzig kleines Thema von so vielen… Aber was tun? Irgendwie interessierts doch auch kaum einen. Herrjee, ich bin mal gegen die Volkszählung auf die Straße gegangen, habe Bußgelder etc. deswegen in Kauf genommen… und heute? Was ist nur mit uns los? 10.000 Leute reichen Verfassungsbeschwerde ein? Wie viele nutzen das Internet in Deutschland? Sollten das nicht eher 10 Millionen sein, die sich da beschweren? Ja, ich weiß, ich bin größenwahnsinnig… und polemisch… sowieso…