Journalismus und IQ

Mit Schrecken las ich vorgestern auf web.de, dass ich – zumindest was meine Intelligenz angeht – viel zu wenig Alkohol trinke:

In der Studie zeigte sich, dass Männer, die regelmäßig, aber moderat Alkohol trinken, durchschnittlich einen 3,3 Punkte höheren Intelligenzquotienten haben als Männer, die keinen Alkohol trinken. Als „moderat“ definierten die Wissenschaftler eine Alkoholmenge von „weniger als 540 Milliliter pro Tag“. Für Frauen gilt das Gleiche, allerdings legen hier die gemäßigten Trinkerinnen nur 2,5 Punkte zu.

Puh, einen guten halben Liter reinen Alkohol täglich, wie baue ich das nur in meinen Tagesplan ein? Und in mein Budget? Ich meine, man will sich ja auch nicht einseitig ernähren, täglich ’n Buddel 54% Rum wird ja auf die Dauer auch öd … Jeden Tag rund 6 Flaschen Wein nach Hause schleppen? 😉

Zum Glück habe ich dann noch mal beim im Web.de-Artikel als Quelle genannten New Scientist reingeguckt:

Researchers at the National Institute for Longevity Sciences in Aichi Prefecture, 250 kilometres west of Tokyo, tested the IQs of 2000 people between the ages of 40 and 79. They found that, on average, men who drank moderately—defined as less than 540 millilitres of sake or wine a day—had an IQ that was 3.3 points higher than men who did not drink at all. Women drinkers scored 2.5 points higher than female teetotallers.

540 ml reiner Alkohol und 540 ml Sake oder Wein, das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied 😉

Da sollte sich der Autor von der „BSMO Redaktion“ wohl öfter mal ’n Gläschen Alkohol gönnen … Aber auch diejenigen, die das für Lifeline (dort stand es btw am 13.8.2007, im New Scientist Dezember 2000) und Web.de (3.3.2008) übernahmen.

Und nein, ich glaube nicht wirklich, dass Alkohol klug macht 😉 Dann trifft wohl schon eher zu, dass Intelligenz säuft … ;-D

Klimawandel und „Klimaskeptiker“

Das Klima ist ja gerade wieder in aller Munde und ich hatte hier auch schon diverse Male etwas dazu geschrieben. Auf einen Artikel, über den ich heute noch mal gestolpert (auf eine gekürzte Version hatte ich hier schon mal hingewiesen) bin und den ich für lesenswert halte, insbesondere, weil das darin Vorgebrachte nicht nur das Klima, sondern insgesamt das Verhältnis Wissenschaft – Lobbyverteter – Medien(sorgfalt) betrifft, möchte ich hier noch mal besonders hinweisen:

Alles nur Klimahysterie? – Wie „Klimaskeptiker“ die öffentlichkeit verschaukeln und wirksame Klimaschutzmaßnahmen verhindern

[…] Kritisiert man als Wissenschaftler faktische Fehler in den Medien, dann kommt meist der Vorwurf, man wolle eine Diskussion und abweichende Meinungen unterdrücken. Kein Wissenschaftler hat etwas gegen kontroverse Diskussionen, sie gehören zum Alltag der Wissenschaft und machen gerade einen guten Teil des Spaßes an der Forschung aus. Der Klimawandel wird von uns auf Konferenzen und in den Fachzeitschriften seit Jahrzehnten in allen Facetten kontrovers diskutiert – gerade aus diesem lebhaften Diskussionsprozess hat sich ja allmählich der Konsens über wesentliche Punkte herausgebildet. Andere Punkte sind in der Fachwelt nach wie vor umstritten – etwa der Einfluss der globalen Erwärmung auf die Stärke tropischer Wirbelstürme, das Ausmaß des künftigen Meeresspiegelanstiegs oder die Stabilität der Kontinentaleismassen. Doch bringt eine Diskussion nur dann Erkenntnisgewinn, wenn sie intellektuell redlich und auf Basis korrekter Fakten geführt wird. Dies unterscheidet fundamental die in den Medien geführten Scheinkontroversen von den Diskussionen unter seriösen Wissenschaftlern.

Fazit

In unseren Medien wird nach wie vor regelmäßig der vom Menschen verursachte Klimawandel in Zweifel gezogen – was auch völlig in Ordnung wäre, wenn dies mit korrekten und seriösen Argumenten geschähe. Die ehrlichen Argumente sind den „Klimaskeptikern“ aber längst ausgegangen. Die genannten Beispiele sind nur die Spitze eines Eisbergs und illustrieren, mit welch abstrusen Falschaussagen und Bauernfängerargumenten stattdessen gearbeitet wird. Eine Diskussion auf derart niedrigem Niveau selbst in anspruchsvolleren Medien hätte ich zuvor nicht für möglich gehalten.

Wer sich im Bekanntenkreis umhört, der merkt rasch, dass diese künstlich am Leben erhaltene Scheindebatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Viele Menschen sind verunsichert und wissen nicht mehr, was sie glauben sollen. Sie meinen, die Ursachen des Klimawandels seien unter Experten immer noch umstritten. Diese Fehleinschätzung behindert und verzögert eine effektive Klimaschutzpolitik bis heute. Dabei geht es um viele Menschenleben. Die Hitzewelle in Europa im Sommer 2003 hat über 30.000 Menschenleben gekostet. Und die Weltgesundheitsorganisation schätzt in einer Studie, dass der Klimawandel insgesamt derzeit für jährlich rund 150.000 zusätzliche Todesopfer verantwortlich ist, vor allem in Afrika. Ohne rasche Gegenmaßnahmen ist dies erst der Anfang eines mehrfach größeren Klimawandels. Und es geht – den Thesen von Reichholf zum Trotz – um die Frage, wieviele Tier- und Pflanzenarten wir noch in das 22. Jahrhundert hinüber retten können.

Ich kann hier nur an die Verantwortung von allen appellieren, die sich in den Medien zu Wort melden, mit redlichen Argumenten und sorgfältig recherchierten Fakten zu arbeiten. Täuschungen, Tatsachenverdrehungen und selbsternannte Experten ohne fundierte Sachkenntnis („opinionated ignorance“, wie es im Englischen so treffend heißt) sind wenig hilfreich.

Vor allem aber sind die zitierten Falschmeldungen Folge eines erschreckenden Versagens der Qualitätskontrolle in unseren Medien. Dabei wäre Abhilfe sehr leicht. Im Internetzeitalter ist es einfacher denn je, Fakten nachzuprüfen. Meist genügen wenige Minuten. All die „Skeptiker“-Argumente, die in den letzten Monaten in den Medien aufgetaucht sind, sind von Wissenschaftlern auf diversen Internetseiten längst detailliert diskutiert und widerlegt worden. Einen Überblick über die besten dieser Seiten bietet realclimate.org in der Rubrik start here. Auch die Qualität von Experten lässt sich anhand von online-Datenbanken wie dem Web of Science oder Google Scholar leicht ermitteln – man kann sofort nachsehen, wer was in der Fachliteratur publiziert hat und wie oft es zitiert wurde. Durch Internetquellen wie sourcewatch.org oder lobbycontrol.de kann man zudem leicht prüfen, ob jemand für Lobbyorganisationen tätig ist.

Wir Wissenschaftler können die Mißstände in den Medien nicht beseitigen – wir können nur unser eigenes Haus in Ordnung halten, fachlich fundierte Informationen bereitstellen und gelegentlich darauf hinweisen, wenn Unsinn verbreitet wird. Die Qualitätssicherung der Medien muß die Medienwelt selbst leisten. In Gesprächen mit Journalisten stelle ich aber häufig einen erstaunlichen Zynismus oder tiefe Resignation fest, wenn es um die Frage einer Verbesserung des Qualitätsniveaus geht.

Doch ohne eine solche Qualitätskontrolle verliert unsere Gesellschaft die Fähigkeit, zwischen Wissenschaft und Scharlatanerie zu unterscheiden – und sie verliert dabei die Fähigkeit, mit einem komplexen Problem wie dem Klimawandel erfolgreich umzugehen. Wir alle, vor allem aber unsere Kinder und Enkel, könnten dafür einen hohen Preis bezahlen.

TV-Tipp: Gott und das Spaghetti-Monster

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Heute um 21 Uhr geht es in der Reihe „Delta“ auf 3sat (Wiederholung 16.12.07, 19.30 Uhr auf dem ZDFdokukanal) um das Thema: Breitet sich ein „neuer Atheismus“ in unserer Gesellschaft aus?

In Amerika fand vor wenigen Wochen ein Kongress statt, der große internationale Beachtung fand, weil er inmitten eines weltweit religiös aufgeheizten Klimas für einen „kristallklaren Atheismus“ Front machte. Mit dabei die Hauptvertreter des sogenannten „Neuen Atheismus“, darunter neben dem Literaturwissenschaftler und Publizisten Christopher Hitchens auch die Philosophen Sam Harris und Daniel Dennett sowie der Evolutionsbiologe Richard Dawkins.

Das Buch „Der Gotteswahn“ von Richard Dawkins findet viel Beachtung und führt derzeit die Bestellerlisten an, auch in Deutschland. Um die Positionen und die Probleme dieser Diskussion verständlich zu machen, hatte der US-Physiker Bobby Henderson im Kontext der Diskussion um Intelligent Design und das Verbot der Evolutionslehre an amerikanischen Schulen die Religion vom „Fliegenden Spaghetti-Monster“ erfunden: Eine Pseudo-Religion, die sich jedoch aller Argumente herkömmlicher Theologie bedient, um auf diese Weise parodistisch auf die zugrunde liegenden logischen, erkenntnistheoretischen und gesellschaftlichen Probleme aufmerksam zu machen. Doch wie hilfreich oder zutreffend sind derartige Argumente gegen den Theismus?

Die Sendung will jenseits der Polemik, die unweigerlich auf allen Seiten mit dem Thema der Existenz Gottes verbunden ist, die Argumentationslinien des sogenannten „neuen Atheismus“ deutlich machen und kritisch beleuchten. Sie fragt, was eigentlich neu am Anti-Theismus ist – und wie die Theologen mit den neuen Herausforderungen umgehen, vor denen sie stehen. Gibt es eine Position jenseits der Intelligent Design Argumente? Und welche Auswirkungen hätte der neue Anti-Theismus auf die heutige Gesellschaft?

Gäste der Sendung sind:

  • Willigis Jäger, Benediktushof – Zentrum für spirituelle Wege
  • Bernulf Kanitscheider, Philosophie der Naturwissenschaften, Universität Gießen
  • Hans-Dieter Mutschler, Theologe und Physiker, Hochschule Ignatianum/Krakau

Themen sind die Gärtnerparabel, Aufruf zum Nicht-Glauben und Religion als Teilsystem.

Quelle: 3sat

Wer das Spaghetti-Monster noch nicht kennt (Bildungslücke! 😉 ), wird in der Wikipedia fündig.

Erfahrungen eines Theologieprofessors

Was passiert, wenn ich als gläubiger, evangelischer Christ Theologie studiere, es in diesem Fach bis zur Professur bringe und dabei fest stelle:

„Es gebe zwar viele Gründe, Christ zu sein, aber keinen stichhaltigen Grund; niemand könne angesichts der historischen Haltlosigkeit zentraler biblischer Aussagen noch Christ sein, und auch ich sei keiner mehr.“

Lohnt sich ganz zu lesen: Muss ein Theologieprofessor gläubig sein?

Noch ein paar Auszüge:

„Erfahrungen eines Theologieprofessors“ weiterlesen