Amok, Frau Koma!

Amok. Mal wieder.

Das Schlüsselwort für mich bei solchen Vorfällen, nach Morden, Suiziden, Familientragödien usw. ist unauffällig.

Da wird ständig betont, wie unauffällig derjenige doch bisher war und dass das ja keiner ahnen konnte. Und gleichzeitig werden zig Dinge genannt, die, hätte sich auch nur einer mal wirklich für diesen Menschen interessiert, alle Warnleuchten hätten blinken lassen müssen.

Aber was zählt, ist eben, ob jemand aus Sicht der anderen funktioniert. Dann ist er schön unauffällig und macht mir keine Scherereien.

Die Ursache für solches Tun wird über viele Generationen in Familien und Gesellschaften weiter gereicht. Ganz unauffällig natürlich. Sei es psychischer / physischer Missbrauch / Gewalt, emotionale Kälte und Verwahrlosung, Desinteresse usw. Das geht so lange „gut“ (sprich: bleibt „unauffällig“), wie das jeweilige Opfer genügend Ventile findet, ob nun in der Art, selbst wieder Täter zu sein und / oder durch Flucht in Fantasiewelten, Erfolg und Profilierung im Job oder Sportverein etc. pp.

Die Ursachen anzugehen würde bedeuten, sich selbst, seinen Umgang mit anderen, seine Werte wie die dieser Gesellschaft, diese Gesellschaft, das Schulsystem … etc. pp. – schlussendlich alles in Frage zu stellen. Würde bedeuten, Menschenwürde nicht nur als zahnlosen Papiertiger in ein Grundgesetz zu schreiben, sondern zu leben, jede Minute neu. Sie zum obersten Gebot zu machen. Würde Ehrlichkeit bedeuten. Das ist jedoch die meist beschworene und gelobte und gleichzeitig tatsächlich unbeliebteste und seltenste Sache dieser Welt. Ebenso wie jemand lieben sehr gern als „er tut was ich will / mag und ist unauffällig“ missverstanden wird.

Also versammeln wir uns scheinheilig, zünden Kerzen an, sind fassungslos, beruhigen uns, dass der Junge eben krank war und überhaupt die bösen Egoshooter schuld, und das ja alles die große Ausnahme sei, vielleicht noch damit, dass der liebe Gott schon wisse, warum, und bla bla so weiter und so fort. Und reden uns ein bzw. lassen uns einreden, ein Sozialarbeiter auf 1000 Schüler, Metalldetektoren und Wachdienste in der Schule, Verbot von Gewalt in Spielen und schärfere Waffengesetze könnten zukünftig so was verhindern. Prohibition hat ja schließlich auch den Alkoholgenuss verhindert, Drogengesetze den Drogenmissbrauch und Sperrbezirke die Prostitution.

Und beim nächsten Mal, das so sicher wie das Amen in der Kirche ist, werden wir das wieder tun, und beim übernächsten Mal und überübernächsten Mal … so wie beim letzten, vorletzten, vorvorletzten … Sind ja auch alles Ausnahmen.

Um Banken mit ihren pathologischen Zockern zu „retten“, sind ad hoc Hunderte Milliarden da. Um eine menschenwürdige Gesellschaft zu gestalten, muss man mit der Klimperbüchse Almosen erbetteln.