Freud, Schäuble und die Informationskontrolle

Bei den 3. Berliner Medienreden am 24.11.2008 entfleucht unserem Bundesinnenminister ein viel sagender Freudscher Versprecher:

“Und inzwischen eröffnen uns Computer und Internet ganz neue Austausch- und Informationskontrolle … äh Kanäle … über … Grenzen hinweg …”

Ja, ja, Herr Schäuble … 😉

(Thx an fefe)

“Ihre Meinung zum Bürgerportalgesetz”

… steht da als Titel einer Site, über die ich diese Tage stolperte.

Es geht um die “sichere E-Mail-Adresse”, die “De-Mail” die unser Innenminister (ja der, der uns schon dies unglaubliche Sicherheitsgefühl mit Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchung und Bundestrojaner verschaffte) jedem Bürger verpassen möchte und wo dann für die Versendung einer Mail Porto anfallen soll. Ja, ihr lest richtig, Porto …

Preise und Modalitäten wird jeder Anbieter von De-Mail im freien Wettbewerb um die Kunden selbst festlegen. Es wird voraussichtlich ein ähnliches Prinzip wie beim Postversand gelten: der Absender zahlt ein e-Porto.

Dazu gibt es dann noch den “De-Safe”, in dem wir unsere Unterlagen (ich las irgendwo 30 Jahre…) “sicher” zentral speichern dürfen.

Mit De-Mail können Sie in Zukunft wichtige Nachrichten und Dokumente auch elektronisch sicher empfangen und versenden. Diese müssen dann natürlich auch sicher und dauerhaft gespeichert werden können. Daher sieht das Projekt auch einen Dokumentensafe vor, der Unterlagen verschlüsselt und vor Veränderungen geschützt für Sie bereithält. Sicheres Speichern auf dem heimischen PC ist dagegen schwer umzusetzen, auch USB-Sticks, CD-ROMs etc. sind nicht langfristig vor Datenverlust sicher.

Und wer setzt das um? BSI, T-Systems … na, spürt ihr die unglaubliche Sicherheit, die solche Namen ausstrahlen? 😉

Um De-Mail-Anbieter zu werden, muss das Unternehmen ein Akkreditierungsverfahren beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) durchlaufen. Für diese De-Mail-Akkreditierung muss er verschiedene Voraussetzungen erfüllen, beispielsweise hinsichtlich der angebotenen Dienste, der technischen Zusammenarbeit mit anderen Anbietern, der geforderten Maßnahmen für Sicherheit, Daten- und Verbraucherschutz.

Siehe auch:

Dazu mögen vielleicht noch meine Erfahrungen bezüglich sicherer Kommunikation mit meinem Finanzamt Erwähnung finden: PGP-verschlüsselte Mails werden dort nicht angenommen (Zitat: “PGP?? Was ist das denn? Achsoo … Nein, darauf sind wir nicht eingerichtet”), PGP-signierte Mails kommen nicht an (“Achso, ja, die bleiben bei uns im Spam-Filter hängen”)…

Ich las mir also den Bürgerportalgesetz-Entwurf durch und schrieb meine Meinung dazu:

Überflüssig wie ein Kropf

… und dazu noch eine Sicherheit vortäuschend, die es nicht hergibt. Meine Daten sollen sicher sein, wenn das Staat und T-Systems in die Hand nehmen?? *LOL* Es gibt bereits bewährte und vor allem quelloffene Systeme wie PGP/GnuPG. Eine Stärkung dieser Systeme halte ich für deutlich sinnvoller, als wieder mal Steuergelder für ein solches imho totgeborenes System zu versenken bzw. Firmen (mit sicher toller Lobbyarbeit in den entsprechenden Ministerien) in den Rachen zu schmeißen (siehe auch eGK). Welchen Einfluss hat dies “Mitmachen” eigentlich hier?

Heute erhielt ich 4 (in Worten: vier) Mal die gleiche Mail zu diesem Eintrag im Forum dort:

Betreff: Online-Beteiligung Bürgerportalgesetz: Sperrung eines Beitrags von Ihnen

Hallo Aco,

ich habe Ihren Beitrag “Überflüssig wie ein Kropf” leider sperren müssen, weil einzelne Formulierungen darin nicht den Regeln für diese Online-Beteiligung entsprechen. […]

Ja, ok, ich hätte meinen Beitrag sicher freundlicher, sachlicher und fundierter formulieren können … 😉 Es war tief nachts … 😉 Vielleicht habe ich ja noch mal Lust, das zu tun, ist allerdings fraglich, ob es die Zeit wert ist.

Um aber aufs Thema an sich zurück zu kommen, ich mag paranoid sein, aber ich warte irgendwie dann demnächst auf die Aussage unser aller Innenministers, dass man ja nun mit De-Mail und De-Safe ein sicheres System habe und daher Verschlüsselung wie PGP etc. für die eigene Mail, Festplatte etc. nun überflüssig und zu verbieten sei, da sowas ja dann nur noch Terroristen nutzen… In Frankreich ist z.B. Verschlüsselung verboten (inkl. SSH2 und VPN-Tunnel), siehe auch hier.

Mich würde irgendwie dann auch nicht mehr wundern, wenn man dann aus Sicherheitsgründen nur noch mit Bertelsmanns “Deutschlandcard” einkaufen darf …

Mal wieder: Wikipedia gesperrt

Dies Wochenende war es mal wieder soweit: wikipedia.de durfte nicht auf die deutschsprachige Wikipedia unter de.wikipedia.org weiter leiten und jeder, der nicht wusste, dass Wikipedia unter zweit genannter Domain auch direkt erreichbar ist, “durfte” komplett auf Wikipedia verzichten. Das dürften wohl so einige gewesen sein.

Warum? Weil ein Mann, dem einige Zeilen in einem Artikel über sich nicht passten, eine einstweilige Verfügung erwirkte. Und weil diesbezüglich die Rechtsauffassung in diesem Lande wie so ziemlich immer, wenn es ums Thema Internet geht (nur da?), mal wohlwollend gesagt völlig unbedarft bis restlos grober Unfug ist.

Wer wegen einem von rund 830.000 Wikipedia-Artikeln eine komplette Domain sperrt, kann eigentlich gleich das ganze Internet sperren lassen. Schließlich wird über Herrn Heilmanns Vergangenheit dort an vielen Stellen diskutiert.

Ob die Äußerungen über Heilmann falsch oder richtig sind, der Artikel den Anforderungen bezüglich Neutralität, Belegen etc. den Wikipedia-Richtlinien genügte usw., darum gehts mir hier an dieser Stelle gar nicht. Das steht auf einem anderen Blatt.

Mir geht es um das Muster dahinter. Dass einige Leute auf die Idee kommen, sie könnten wegen allem, das ihnen nicht passt, vor Gericht ziehen, damit wird man wohl leben müssen. Spinner wirds immer geben. Aber dass sie dann noch Gerichte finden, die so einen Blödsinn auch noch mitspielen, sprich: keine Ahnung von Tuten und Blasen haben, damit möchte ich nicht leben müssen.

Das Geschehene (und ja nicht zum ersten Mal Geschehene) ist gleichermaßen völlig unverhältnismäßig und völlig sinnlos. Und das fällt Leuten, die über uns Recht sprechen sollen und vor allem auch dürfen, nicht auf. Das lässt bei mir Fragen aufkommen, wie: Wie ist das erst bei anderen “Rechtsprechungen” und inwieweit darf man von einem Rechtsstaat sprechen? Reicht es, wenn der nur auf dem Papier in Paragraphen existiert oder muss dafür nicht auch ein Mindestmaß an Kompetenz bei den Rechtsprechenden vorhanden sein?

Dass nicht jeder Wikipedia-Artikel perfekt ist, ist klar. Ist auch nicht jeder andere Lexika-Artikel. Doch in der Wikipedia kann ich selbst an der Diskussion teilnehmen, ich kann auch (meistens) selbst Artikel ändern und normalerweise sollte ich da – ohne Gerichte – in der Lage sein, einen Konsens zu finden, wenn sich alle an die Spielregeln dort halten, NPOV, Belege usw.

Zur Zeit scheint es jedoch immer beliebter zu werden, alles, was einem nicht in den Kram passt, einfach weg zu klagen. Und leider spielen da Gerichte mit. Das führt schlussendlich dazu, dass freie Meinungsäußerung ohne entsprechende Rechtsabteilung und entsprechendes Budget hinter sich zu einer riskanten Angelegenheit wird. Und auch heute schon überlege ich mir 3 mal ob und wie ich etwas schreibe. Wer ein Blog, ein Forum oder ein Wiki betreibt, steht praktisch immer mit einem Fuß vor Gericht. Und das ist keine gute Entwicklung.

Damit wir uns nicht missverstehen, Verleumdungen, falsche Behauptungen etc. gehören, wenn derjenige keine Einsicht zeigt, natürlich verfolgt. Keine Frage. Jeder hat zudem natürlich die Pflicht, seine Behauptungen ordentlich zu belegen.

Aber wenn z.B. belegte Tatsachen weg geklagt werden, nur weil sie jemand nicht passen und er entsprechende Mittel dafür hat, wenn Meinungsäußerung ein Jurastudium voraussetzt, damit ich weiß, wie ich etwas “rechtlich sicher” formuliere, wenn ich wegen einigen Sätzen in einem Artikel gleich eine ganze Domain und rund 830.000 weitere Artikel sperre, ist das Missbrauch eines Rechtssystems und Zensur. Und wenn ein Richter nicht den groben Unfug, den eine Sperrung von wikipedia.de bedeutet, erkennt, mangelts ihm imho so sehr an Kompetenz, dass er nicht in der Lage ist, seinen Job ordnungsgemäß auszuführen und dann sollte man ihn konsequenterweise auch seines Amtes entheben.

Ein Gutes hat das Ganze allerdings, es förderte die Spendenfreudigkeit für Wikipedia. Das gibt etwas Hoffnung.

Absturz des Baltic Dry Index

Nie von gehört? Nun, bis gestern sagte mir das auch nichts 😉 Aber die Finanzkrise bietet massig Chancen, viel Neues über diese Welt zu lernen, nun, zumindest mir 😉

Gestern bin ich bei Daily Kos auf den Artikel “Two signs that something is seriously wrong” gestoßen, der auf einen heftigen Absturz des Baltic Dry Index um 98% hinweist. (Nicht nur das, auch auf einiges anderes Interessantes.)

The price of the daily rental of a Capesize bulk carrier has collapsed from $234,000 to $5,611. I’m no expert on shipping, but I bet that the cost of fuel, insurance, maintenance, and crew salaries on a ship that large is about $5,600 a day. If there is no profit from moving these ships, then goods will not move.

Von $234,000 auf $5,611 – das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.

Als Ursache für diesen Absturz wird die Lage auf dem Finanzmarkt genannt.

Cargos are sitting on docksides because the finance is not available to ship them, with the gravest implications for the future. “This is a nuclear bomb in the freight market, and in world trade,” Mr Kerr-Dineen said. “Liquidity has to return because if there is insufficient money to provide standard finance, world trade will be sharply cut back and economic growth will implode.”

Was ist daran nun so interessant?

Because dry bulk primarily consists of materials that function as raw material inputs to the production of intermediate or finished goods, such as concrete, electricity, steel, and food, the index is also seen as an efficient economic indicator of future economic growth and production. The BDI is termed a leading economic indicator because it predicts future economic activity.

(Qelle: Wikipedia, Hervorhebung durch mich)

By the end of 2008, shipping times had been already delayed by reduced speeds to save fuel consumption, but lack of credit meant the disappearance of letters of credit, historically required to load cargoes for departure at ports. Debt load of future ship construction was also a problem for the companies, with several major bankruptcies and implications for shipyards. This, combined with the collapsing price of raw commodities created a perfect storm for the world’s marine commerce. Cheaper fuel was no longer able to offset this situation and global letters of credit are beyond the powers of the Federal Reserve.

(Qelle: Wikipedia)

Kurz: Da knirscht’s gewaltig im Gebälk…

Lest euch den Daily Kos Artikel mal ganz durch und schaut euch die schönen Bilder an 😉

Hier gibt’s Drachen!

Hic sunt dracones – hier gibt’s Drachen! – mit dieser Warnung haben alte Kartographen die weißen Flecken auf ihren Karten beschriftet. Zum Glück gab es mutige Forscher, die sich von dieser Warnung nicht abhielten ließen, auch diese Ecken zu erforschen und siehe da: Nirgendwo Drachen! 😉

Heutzutage sind unsere Karten frei von weißen Flecken und Drachen. Doch was Aufklärung, kritisches Denken und Wissenschaft angeht, gibt es leider noch so manchen weißen Flecken und auch Drachen.

Brian Dunning, der Herausgeber des – übrigens sehr empfehlenswerten! –  Skeptoid-Podcast, begibt sich in seinem rund 40minütigen (kostenlosen) Video “Here Be Dragons – An Introduction to Critical Thinking” (Hier gibt’s Drachen – eine Einführung in kritisches Denken) auf Drachenjagd und vermittelt dabei auch gleich das nötige Rüstzeug, ein guter Drachenjäger zu werden:

http://www.youtube.com/watch?v=OKdG7yGi0KA

Das Video gibt eine gute Übersicht über die diversen (Selbst-)Täuschungen, denen man erliegen kann, sowie auch die Tricks, mit denen Pseudowissenschaft arbeitet, von selektiver Wahrnehmung bis hin zu Roten Heringen.

Absolut sehenswert! Also angucken!

Wer das Video gern mit deutschen Untertiteln hätte, klickt hier.

Im Video gibt’s einige Buchtipps, z.B. den lesenswerten Klassiker 😉 von Carl Sagan: “The Demon-Haunted World: Science as a Candle in the Dark“, zu gut deutsch: “Der Drache in meiner Garage. Oder die Kunst der Wissenschaft Unsinn zu entlarven“.

Einige Bücher, die mir noch ad hoc zum Thema einfallen, sind:

Weitere Buchtipps habe ich hier zusammengestellt.

Ist ja bald Weihnachten… 😉